Wie New Work dein Berufsleben verändern wird
New Work – Was ist das eigentlich?
Nine to five, ein Leben lang der gleiche Beruf und eine glasklare Trennung zwischen „Arbeit“ und „Freizeit“ – für die meisten Arbeitnehmer (und auch viele Selbstständige) war und ist all das Realität und Normalität. Doch nicht nur die Zeiten ändern sich, sondern auch die Vorstellungen, die Menschen heute von einem ausgefüllten Leben haben. Es geht nicht mehr darum, möglichst lange möglichst viel zu verdienen, um im Ruhestand endlich genug Zeit und Geld für all die Träume zu haben, die man sich bislang nicht erfüllen konnte. Wir wollen mehr. Und zwar nicht erst morgen. Darum wechseln wir heute öfter unseren Beruf, arbeiten im Home-Office oder in Coworking-Spaces auf den Bahamas und machen ein Sabbat-Jahr, wenn wir die Möglichkeit dazu haben. Dennoch ist die 40-Stunden-Woche mit gesetzlich vorgeschriebenem Mindesturlaub weiterhin der gängige Standard. Genau das will das Prinzip „New Work“ ändern. Zugunsten des einzelnen Erwerbstätigen, aber auch in Hinblick auf eine besser miteinander funktionierende Gesellschaft.
Das New-Work-Modell verabschiedet sich von der klassischen Lohnarbeit und der Idee, man arbeite, um zu leben. Stattdessen soll die Arbeitszeit, die bisher in der Regel ausschließlich für den Arbeitgeber aufgewandt wird, eine Dreiteilung erfahren:
- 1/3 Erwerbsarbeit „Arbeit gegen Geld“.
- 1/3 Selbstversorgung auf High-Tech-Niveau und smarter Konsum Zum Beispiel eigenes Gemüse anbauen – aber auch die selbstständige Entwicklung neuer Technologien, die man selbst benötigt.
- 1/3 Arbeit im Sinne von „Selbstverwirklichung“ Zum Beispiel soziales Engagement oder künstlerisches Tätigkeiten.
Auf den ersten Blick sieht das Ganze vielleicht nach schlichtem „weniger Arbeiten“ aus. Tatsächlich steckt aber weit mehr dahinter. Die Grundüberlegung: Wer weniger Zeit mit seiner „Muss“-Arbeit verbringt, hat mehr Freiraum, um sich selbst zu entfalten und so zu jemandem zu werden, der nicht nur auf dem Papier bzw. auf der Uhr etwas zum Arbeitsmarkt beiträgt, sondern auch qualitativ. New Work bedeutet also nicht weniger Arbeit, sondern andere, vielfältigere, selbstbestimmtere, produktivere und – im Idealfall – bessere Arbeit. Und: Wenn jeder von uns nur noch 1/3 seiner heutigen Arbeit erledigt, muss die Arbeit in Zukunft auf viel mehr Menschen verteilt werden. So entstehen neue Jobs und die Zahl der Erwerbstätigen steigt.
Begründer der New-Work-Bewegung ist übrigens kein hipper junger Start-Upper – sondern der 1930 in Sachsen geborene Philosoph Frithjof Bergmann. Dieser gelangte Ende der 1970er Jahre auf seinen Reisen durch die Länder des ehemaligen Ostblocks zu der Überzeugung, der Kommunismus könne keine Zukunft mehr haben. In Folge dessen beschäftigte er sich intensiv mit den Ideen des Kapitalismus – nicht jedoch, ohne den kritischen Blick darauf zu verlieren. Genau dieser kritische Blick war es dann schließlich, der Bergmann zu den ersten New-Work-Überlegungen und der Frage führte, wie die Arbeit neu organisiert werden kann.
New Work: kurzlebiger Trend oder echte Bewegung?
Dass New Work nicht nur ein Trend ist, der schon morgen wieder vergessen sein wird, zeigt sich auch in den zahlreichen weiterführenden Gedanken, die Experten auf der ganzen Welt sich zu dem Modell gemacht haben.
Der Psychologe Markus Väth zum Beispiel hat auf Basis der New-Work-„Bibel“ Neue Arbeit, neue Kultur von Frithjof Bergmann vier Thesen dazu entwickelt, unter welchen Voraussetzungen New Work sich erfolgreich umsetzen lässt. Dazu zählt, dass wir 1. bewusst „Arbeit“ und deren Bedeutung für unser Leben neu bewerten, 2. unsere Kompetenzen an eine komplexer und dynamischer werdende Arbeitswelt anpassen, 3. ein Modell schaffen, dass Organisationen den Wechsel hin zu New Work ermöglicht und 4. eine gesellschaftliche und politische Debatte über die Rolle führen, die Arbeit in unserem Leben spielt.
Viel Graue Theorie - Und die Praxistauglichkeit?
Die Implementierung eines New-Work-Modells im Unternehmen kann natürlich nie von heute auf morgen passieren. Wer auf eine neue Form des Arbeitens umstellen will, muss sich zunächst einmal wirklich darauf einlassen – und dies auch den Mitarbeitern ermöglichen. Den meisten jungen Kollegen wird es vermutlich eher leichtfallen, sich von gewachsenen Strukturen zu verabschieden und offen mit Veränderungen umzugehen. Menschen jedoch, die bereits seit vielen Jahren im Unternehmen sind und ein halbes oder ganzes Arbeitsleben lang nichts Anderes kennen, als die klassische Erwerbsarbeit, werden sehr wahrscheinlich stärkere Unterstützung und eine längere Übergangsphase brauchen. Zudem gibt es keine New-Work-Schablone, die sich auf jedes Unternehmen anwenden lässt – und vielleicht auch nicht auf jeden Mitarbeiter. Zahlreiche Unternehmensberatungen haben darum inzwischen New Work in ihr Portfolio aufgenommen und unterstützen Firmen unterschiedlichster Art dabei, den individuell passenden Weg ins neue Arbeiten zu finden. Wie also sieht es heute ganz konkret in den Unternehmen aus? Die Studie Kienbaum New Work Check 2017 zeigt, dass New Work lägst im Bewusstsein der Führungskräfte und Entscheider angekommen ist. So gaben 74 % aller Befragten an, das Thema auf der Agenda zu haben. In immerhin 63 % der Unternehmen sind sogar schon konkrete Maßnahmen ergriffen worden. Der Weg hin zur neuen Arbeit ist also längst beschritten.
Mit gutem Beispiel voran: New Work in der Ministry Group
Die Hamburger Ministry Group hat schon vor etwa fünf Jahren damit begonnen, alte Strukturen aufzubrechen, um auf die Anforderungen einer sich ändernden (Arbeits-)Welt einzugehen. So wurden 2013 zum Beispiel cross-funktionale und eigenverantwortlich arbeitende „X-Teams“ ohne Hierarchien gebildet. Der Grundgedanke: Je mehr Entscheidungen die Teams eigenständig treffen können, desto größer wird das Verantwortungsgefühl des Einzelnen. Mit anderen Worten: Wer zeigen darf, was er draufhat, arbeitet nicht mehr nur „für die Firma“, sondern auch für das eigene Erfolgsgefühl – und wird darum immer sein Bestes geben. Allerdings, so weiß Geschäftsführender Gesellschafter David Cummins heute, ist die Umsetzung dieser Idee im Unternehmen alles andere als einfach. 2015 sagte er im Interview mit der brandeins: „Es gab wenige Reaktionen, kaum Feedback. Die mussten das erst einmal verdauen.“ Heute leistet sich die Ministry Group mit Susanne Reppin darum einen eigenen Agile Coach und führt regelmäßig Workshops durch, die dazu beitragen, das neue Arbeiten im Alltag und in den Köpfen der Mitarbeiter zu verankern.
New Work: die ultimative Lösung?
Trotz aller Euphorie: Natürlich gibt es auch kritische Stimmen zu New Work. So meint Lars Vollmer von Capital: „Die Hauptaufgabe von Unternehmen ist es nicht, Arbeit zu schaffen, Arbeit zu gestalten, Arbeit menschenwürdig zu machen. [...] In der Wirtschaft geht’s nicht primär um Arbeit! Nein, in der Wirtschaft dreht sich alles um den Kunden! Ein Unternehmen existiert alleine dadurch, dass es sich zur Aufgabe gemacht hat, Ansprüche, Bedürfnisse oder Wünsche von Kunden zu befriedigen.“
Idealistische Wunschvorstellung oder langfristig praktikabel umsetzbares Modell? Wir sind mehr als gespannt, ob und wie New Work das Arbeitsleben wirklich verändern wird.
Lese-Tipp: Das Zukunftsinstitut des bekannten Trendforschers Matthias Horx hat New Work als Megatrend erkannt – und ein spannendes Dossier zum Thema veröffentlicht, das zahlreiche unterschiedliche Aspekte beleuchtet und in einem Glossar Begrifflichkeiten klärt.